Wenn ein Mensch eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) hat, kann es sinnvoll sein, für diese Person einen Pflegegrad zu beantragen. Hierdurch erwirbt die Person Anspruch auf diverse Leistungen, welche sie und die Menschen, die sich um die Person kümmern, in vielfältiger Weise unterstützen.
Gerne geben wir Ihnen hier einen kurzen Überblick.
Ein entsprechender Antrag kann durch die betroffene Person selbst, oder bei Kindern durch die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten gestellt werden. Wenden Sie sich hierzu einfach an Ihre Krankenkasse. Leistungen der Pflegeversicherung können direkt bei der Krankenkasse beantragt werden, sowohl für gesetzlich als auch privat Versicherte. Kinder sind über den Elternteil versichert, bei dem sie auch krankenversichert sind.
Die Kontaktaufnahme kann telefonisch oder -wenn es Ihnen lieber ist- auch formlos schriflich per Brief, Fax oder E-Mail erfolgen.
Erklären Sie einfach den Umstand, dass Sie einen Pflegegrad beantragen wollen. Zu Beginn sind keine detaillierten Informationen über den Gesundheitszustand erforderlich. Man wird Ihnen dann die erforderlichen Unterlagen zukommen lassen. Manche Krankenkassen bieten auch passende Formulare zum Download auf ihrer Website an.
Füllen Sie den Antrag dann einfach aus und senden Sie ihn an die Kasse zurück. Im besten Fall legen Sie noch Kopien von ärztlichen oder psychologischen Attesten, Gutachten und Diagnosen bei, damit die Gutachter sich im Vorfeld schon ein Bild von der Situation machen können.
Der Antrag wird dann bearbeitet. Schließlich erhalten Sie einen Termin, wann ein Gutachter vom MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) zu Ihnen kommen wird, um die Situation der pflegebedürftigen Person vor Ort zu begutachten.
Der Gutachter wird anhand dieses Besuchs, seiner Eindrücke und der geführten Gespräche sowie ggf. vorliegender Gutachten, Attesten und Diagnosen ein Pflegegutachten erstellen. In diesem Pflegegutachten wird er der Versicherung mitteilen, ob er einen Pflegegrad befürwortet und wenn ja, in welcher Stufe.
Führen Sie ein Pflegetagebuch, um die notwendige Unterstützung detailliert zu dokumentieren. Notieren Sie jede Form der Hilfe über einen Zeitraum von ca. 14 Tagen – von der morgendlichen Pflege bis hin zu Unterstützungen im Haushalt oder bei der Mobilität. Auch psychische Belastungen, wie Ängste, sollten erfasst werden.
Beachten Sie hier auch typische Besonderheiten bei Autisten. Wenn Ihr autistisches Kind beispielsweise über
Weglauftendenzen verfügt und daher beispielsweise jederzeit die Gefahr droht, dass es unkontrolliert auf die Straße rennt, es also immer von Ihnen begleitet werden muss, stellt auch dies eine
tägliche Unterstützungshandlung dar, die im Tagebuch entsprechend dokumentiert werden sollte.
Reichen Sie zusätzlich aktuelle Arzt- und Therapieberichte ein, um ein realistisches Ergebnis zu
erzielen.
Das lässt sich leider nicht pauschal beantworten. Da sich Autismus bei jedem Betroffenen individuell und in anderer Art und Weise äußert, sind auch die daraus hervorgehenden Einschränkungen und Hilfestellungen unterschiedlich. Der Pflegegrad bei der Diagnose ASS kann je nach Einschränkungen der Selbstständigkeit von Grad 1 bis 5 variieren. Bei Kindern wird die altersgerechte Selbstständigkeit in die Bewertung einbezogen.
Sollte der Pflegebescheid von der Krankenkasse nicht Ihren Erwartungen entsprechen, kann es sich lohnen, Widerspruch einzulegen. Prüfen Sie, ob alle relevanten Details berücksichtigt wurden. Größere Abweichungen können als Grund für den Widerspruch dienen. Ein gut begründeter Widerspruch kann zu einem besseren Ergebnis führen.
Falls sich der Gesundheitszustand der zu pflegenden Person verschlechtert, können Sie bei Ihrer Krankenkasse formlos einen sog. "Verschlimmerungsantrag" stellen. In der Regel erhalten Sie danach ein Formular zur weiteren Bearbeitung. Fügen Sie dem Antrag dann bestenfalls auch ärztliche Dokumente bei, aus denen die Verschlimmerung der Situation hervorgeht.
Der Antrag sollte frühestens sechs Monate nach dem letzten Bescheid gestellt werden.
Nach der Bewilligung eines Pflegegrades können diverse Leistungen in Anspruch genommen werden, welche wir Ihnen hier auflisten:
Pflegegeld ist eine finanzielle Unterstützung für Pflegebedürftige, die zu Hause von Angehörigen oder anderen privaten Pflegepersonen versorgt werden. Die Höhe richtet sich nach dem Pflegegrad. Je höher der Pflegegrad ist, desto höher ist der Aufwand und daher auch das Pflegegeld.
Es muss mindestens Pflegegrad 2 vorliegen, für Menschen mit Pflegegrad 1 gibt es kein Pflegegeld.
Das Pflegegeld wird monatlich direkt an den Pflegebedürftigen ausgezahlt, um die häusliche Pflege durch Angehörige oder Bekannte zu honorieren.
Statt einer Auszahlung des Pflegegeldes für pflegende Angehörige ist es auch möglich, das Geld zu verwenden, um einen Pflegedienst zu beauftragen. Gerade im Bereich Autismus, vor allem bei Kindern, ist es jedoch üblich, dass die Pflege eher von den Angehörigen (Eltern, Großeltern etc.) durchgeführt wird.
Die Kurzzeitpflege ermöglicht eine vorübergehende Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung, wenn die Pflege zu Hause vorübergehend nicht möglich ist (z.B. nach einem Krankenhausaufenthalt). Die Pflegekasse übernimmt hierfür bis zu 1.612 € pro Jahr für maximal 8 Wochen.
Nicht ausgeschöpfte Mittel der Kurzzeitpflege können anteilig (bis zu 806 €) auf die Verhinderungspflege (siehe unten) übertragen werden.
Verhinderungspflege kommt zum Einsatz, wenn die reguläre Pflegeperson (z.B. Angehörige) verhindert ist – durch Urlaub, Krankheit oder andere Verpflichtungen. Für bis zu 6 Wochen pro Jahr können Ersatzpflegekräfte eingesetzt werden, wobei die Pflegeversicherung die Kosten hierfür bis zu 1.612 € übernimmt. Wenn die Ersatzpflegekraft nur an einzelnen, nicht aufeinanderfolgenden Tagen jeweils für weniger als 8 Stunden tätig ist, kann das Limit von 6 Wochen auch überschritten werden.
Übrigens: Falls die Verhinderungspflege nicht ausreicht, können bis zu 50% der Kurzzeitpflege-Mittel (806 €) auf die Verhinderungspflege angerechnet werden. Somit stehen insgesamt bis zu 2.418 € für die Verhinderungspflege zur Verfügung.
Pflegebedürftige haben Anspruch auf 125 € monatlich für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Diese Leistung dient zur Finanzierung von Alltagsunterstützung wie Haushaltshilfen oder Betreuung durch zugelassene Dienstleister. Der Betrag steht allen Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 1 zu und wird nicht ausgezahlt, sondern zur Kostenerstattung genutzt.
Über diese Leistung ist beispielsweise auch eine Abrechnung unserer Sportgruppe möglich.
Pflegende Angehörige, die mindestens 10 Stunden pro Woche Pflege leisten und dabei nicht mehr als 30 Stunden pro Woche berufstätig sind, haben Anspruch auf Rentenversicherungsbeiträge. Voraussetzung ist, dass der Pflegegrad 2 oder höher festgestellt wurde. Die Pflegekasse übernimmt die Beitragszahlungen.